Traditionen werden oftmals fortgeführt, auch wenn sie ihren Ursprung in vergangenen Zeiten haben und für heutige Betrachter nicht mehr zeitgemäß erscheinen. So ist zum Beispiel das Stocherkahnrennen in Tübingen eine beliebte Veranstaltung, bei der die Verlierer ein Getränk zu sich nehmen müssen, das viele Menschen heute als unappetitlich empfinden: Lebertran. Leon Spahr, der im vergangenen Jahr das Rennen verlor, musste mit seinen Teamkollegen einen halben Liter dieses Fischöls trinken. Das war für ihn und seine Landsmannschaft Ghibellinia eine Erfahrung, die sie nicht so schnell vergessen werden.
Im Interview mit dem TAGBLATT spricht Spahr über den Geschmack von Lebertran, den Preis und die Menge, die sie für dieses Jahr bestellt haben. Alles in allem handelt es sich dabei um Fischöl, das aus Fischteilen gepresst wird und aufgrund seiner gesunden Eigenschaften schon früher oft verschrieben wurde. Spahr gibt auch einen Tipp für das Rennen: “Am besten nicht verlieren”, denn wer verliert, muss das unangenehme Getränk zu sich nehmen. Spahr empfiehlt auch, nach dem Rennen Pfefferminze bereitzuhalten, da man selbst nach dem Spülen noch nach Fisch riecht.
Eine interessante Frage ist, was mit Vegetariern und Veganern passiert, die an dem Rennen teilnehmen. Sie müssen sich auch dem unvermeidlichen Verlierer-Schicksal stellen. Spahr sagt jedoch, dass sie dieses Jahr eine vegetarische Alternative anbieten werden, ohne jedoch ins Detail zu gehen, was das sein wird. Spahr ist jedoch sicher, dass sich nichts am Ablauf des Rennens und an den damit verbundenen Traditionen ändern wird, die zum Teil aus den Verbindungskreisen stammen.
Das Stocherkahnrennen zieht jedes Jahr viele Zuschauer an, die beobachten können, wie die Teams versuchen, den Neckar in ihren Stocherkähnen zu bewältigen. Aufgrund der erwarteten 15.000 Besucher gibt es jedoch Änderungen im Busverkehr, der während des Rennens umgeleitet wird.
Obwohl das Trinken von Lebertran eine unangenehme Erfahrung ist, scheint es für die Teilnehmer des Stocherkahnrennens immer noch ein wichtiger Teil dieser Veranstaltung zu sein. Traditionen werden von Generation zu Generation weitergegeben, auch wenn sich die Zeiten und Einstellungen ändern.