BERLIN – Deutschland führt am Montag ein neues landesweit gültiges Pauschalticket für den öffentlichen Nahverkehr ein, aber der Preis von 49 Euro (54 $) hat Zweifel an den möglichen Auswirkungen des Passes geweckt.
Die politischen Entscheidungsträger, die die Monatskarte als „Revolution“ anpreisen, hoffen, dass sie den Verbrauchern angesichts der steigenden Inflation eine gewisse Erleichterung bringen und die Menschen ermutigen wird, im Namen der Umwelt den Nahverkehr zu bevorzugen.
Das Deutschlandticket bietet unbegrenzten Zugang zu den deutschen Bus- und U-Bahn-Systemen sowie Nah- und Regionalzügen – nur der Fernverkehr mit Hochgeschwindigkeitszügen ist nicht inbegriffen.
Verkehrsminister Volker Wissing nannte die neue Initiative schnell „die größte ÖPNV-Reform der deutschen Geschichte“, doch der Erfolg ist noch lange nicht gesichert.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) rechnet damit, dass 16 Millionen der 84 Millionen Einwohner des Landes das Angebot nutzen werden. Rund 750.000 Fahrkarten wurden bereits verkauft, ohne die Umsteiger aus ihrem aktuellen Verkehrsabonnement mitzuzählen.
Die Finanzierung der neuen Richtlinie war Gegenstand monatelanger Debatten, was die Einführung des Tickets verzögerte.
Bund und Länder einigten sich darauf, sich mit jeweils 1,5 Milliarden Euro an der Finanzierung des Tickets zu beteiligen, um die Staatsbahn nicht weiter zu verschulden.
Die Ausgaben sind auf heftige Kritik der Opposition gestoßen, die argumentieren, dass das Geld für die “Verbesserung und Erneuerung der Schieneninfrastruktur” verwendet werden könnte, so der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Donth.
Deutschlands Schienennetz knarrt tatsächlich, mit einem Investitionsbedarf von rund 8,6 Milliarden Euro pro Jahr für die nächsten 10 Jahre, so die offizielle Schätzung.
– Bahndeal –
Bei überfüllten Diensten und regelmäßigen technischen Problemen kamen im Jahr 2022 nur 65,2 Prozent der Fernzüge pünktlich an.
Die Probleme des deutschen Schienensystems wurden im vergangenen Sommer deutlich, als die Regierung erstmals mit einem stark ermäßigten Flatrate-Ticket experimentierte. Zwischen Juni und August konnten Einheimische für nur neun Euro im Monat quer durchs Land reisen.
Das Interesse an dem Pass war verständlicherweise groß, 52 Millionen Menschen haben sich für das Angebot angemeldet. Aber die Betreiber hatten Mühe, den Ansturm zu bewältigen.
„Die Lösung besteht sicherlich nicht darin, die Kosten für Abonnements zu senken“, sagte Christian Boettger, ein Bahnexperte von der Technischen Universität Berlin, gegenüber AFP.
Verkehrsminister Wissing schließt eine künftige Preiserhöhung des Fahrscheins des neuen Modells nicht aus, um die Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten.
Ebenso ist es oft leichter gesagt als getan, Menschen dazu zu bringen, ihr Auto für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel abzustellen.
Viele Pendler, die weit entfernt von der Innenstadt wohnen, hätten keine “Schieneninfrastruktur, die das Auto ersetzen könnte”, sagte Böttger.
– ‘Klimaticket’ –
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Destatis hat der Straßenverkehr mit der Einführung des Neun-Euro-Angebots im Vergleich zu 2019 „stagniert“, statt zu steigen.
Insgesamt emittierten Straßenfahrzeuge laut Umweltbundesamt im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr 0,8 Millionen Tonnen zusätzliche Treibhausgase.
Von dem 49-Euro-Ticket profitieren vor allem “Stadtbewohner, die bereits ein teureres Abo haben”, sagte Verkehrsexperte Oliver Wittig der Nachrichtenagentur AFP.
Deutschland ist nicht allein in seinen Bemühungen, die Nutzung der Schiene zu fördern, um die verkehrsbedingten Emissionen zu reduzieren.
In Spanien wurden im September Freikarten für Nahverkehrs- und Regionalzüge eingeführt, um die Einwohner dazu zu bewegen, ihre Autos zu Hause zu lassen und den Inflationsdruck zu mindern.
Nach Angaben des spanischen Betreibers Renfe wurden im ersten Quartal 2023 2,1 Millionen Tickets ausgegeben.
In Österreich bietet ein „Klimaticket“ für knapp über 1.000 Euro im Jahr die Möglichkeit, nahezu alle öffentlichen Verkehrsmittel des Alpenstaates einschließlich der Hochgeschwindigkeitszüge zu nutzen. Der Erfolg des Tickets habe zu einem „Boom“ im Bahnverkehr geführt, teilte der österreichische Betreiber ÖBB mit.
Doch nicht alle sind von der Idee begeistert. „Es kostet zu viel und es gibt nur sehr wenige Umstiege vom Auto auf die Bahn“, sagte Frankreichs Verkehrsminister Clement Beaune vor der Nationalversammlung.