Skandal trifft den Kern von Orbans Propaganda
Gleich zu Beginn seiner „Rede zur Lage der Nation“ kommt Orban zur Sache. Die Nation sei gespalten wegen des Skandals, und ein neuer Präsident soll sie einen. Dabei betont er, dass Menschen schlechte Entscheidungen treffen, selbst die besten.
Zwei Politikerinnen hatten sich aufgrund des Skandals aus dem politischen Leben zurückziehen müssen, die Präsidentin und die damalige Justizministerin. Er schickt ihnen diesen Trost hinterher: Sie hätten mehr Würde als alle Führer der Linken zusammen. Von seiner eigenen Verantwortung spricht er übrigens nicht.
Beim Sondergipfel des EU-Staats- und Regierungschefs hat der ungarische Ministerpräsident Orban Klein beigegeben. Lange hatte er zusätzliche Hilfen für die kriegsgebeutelte Ukraine blockiert. Beim Sondergipfel des EU-Staats- und Regierungschefs hat der ungarische Ministerpräsident Orban Klein beigegeben. Lange hatte er zusätzliche Hilfen für die kriegsgebeutelte Ukraine blockiert.
Anlässlich des Papstbesuches im April letzten Jahres wurden in Ungarn 22 Verurteilte begnadigt. Darunter war ein Mann, der versucht hatte, die Zeugen in einem Pädophilen-Prozess von ihrer Aussage abzubringen. Dank der Intervention von Orban nahestehender Personen und dank der Unterschrift der damaligen Justizministerin Varga und der Staatspräsidentin Novak kam er vorzeitig frei.
Die Orban-Regierung machte eine Begnadigung im Stillen möglich
Und damit auch an den Kern der Politik Orbans – der „Schutz der ungarischen Familie“ ist das Propaganda-Band, das seine Politik zusammenhält: Die starke finanzielle Förderung kinderreicher Familien, die strikte Ablehnung von Immigration, und sogenannte „Familienschutzgesetze“, die Pädophilie und Homosexualität entgegen der Grundrechte gleichsetzen.
Heute, bei seiner unerwarteten Rede zur Lage der Nation, äußerte er sich erstmals zur Sache, und er gibt sich tatkräftig: Neue und strengere Gesetze werden es geben und einen schnellen Wechsel an der Staatsspitze.
Insider wendet sich gegen Orban
Orban hat es heute vermieden, auf ein wichtiges Detail des Skandals einzugehen: Dem Ex-Ehemann von Judit Varga, Peter Magyar, ist der Kragen geplatzt. Jahrelang war er selbst Teil des inneren Kreises, nun distanziert er sich von Orban.
Orban schweigt heute dazu, spricht lieber – wie üblich – über Ungarns wirtschaftliche Erfolge, über Brüssels „Scheitern der Sanktionspolitik“ und seine Unterstützung für Donald Trump. „Wir wollen, dass Trump gewinnt und Frieden schafft in Osteuropa“, so ruft er am Ende seiner Rede und verspricht, dass Ungarns EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr unter dem Motto steht: „Make Europe Great Again!“
Risse im Fundament der ungarischen Regierung
Seine geladenen Gäste applaudieren natürlich. Auf der Straße spüren wir mehr Zurückhaltung. Aber keiner, den wir an diesem Nachmittag ansprechen, meint, dass der Skandal Orbans Position gefährde.
Es ist ein Skandal, der Risse zeigt im Fundament der ungarischen Regierung. Aber keiner, der das System zum Einsturz bringt. Die Frage ist, ob Orbans Reparaturmaßnahmen ihm ausreichen, um die Risse zu kitten, um das Fundament zu stabilisieren.
