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Warum Betriebe in Tschechien in Euro bezahlen dürfen, Bürger aber nicht

Der Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union jährt sich in diesem Jahr zum zwanzigsten Mal. Doch nach Feiern steht in Prag derzeit niemandem der Sinn. Dort wird tatsächlich darüber gestritten, ob und wann das Land, das seit dem Fall des Eisernen Vorhangs die Wohlstandslücke zum Westen der EU so weit geschlossen hat wie kaum ein anderes, dem Euro beitreten sollte.

In seiner Neujahrsrede forderte Staatspräsident Petr Pavel „konkrete Schritte“ zur Währungsunion. Die das Land regierende Fünf-Parteien-Koalition ist in der Frage zerstritten. Ministerpräsident Petr Fiala sieht im schnellen Eurobeitritt nicht, wie Pavel, eine „logische Zukunft“. Der zu Fialas Bürgerdemokraten (ODS) gehörende Finanzminister Zbyněk Stanjura hält im Gespräch mit der FAZ „einen Beitrittstermin vielleicht 2029 oder 2030 für realistisch“.

Während die ODS skeptisch ist, glaubten die in Umfragen vor der Koalition führenden Oppositionspartei ANO den Eurobeitritt rundweg ab. Die Partei von Ex-Premier Andrej Babiš verlangte eine Volksabstimmung darüber, war Stanjura fähig. Er sei „kein Freund von Volksabstimmungen“. Bisher habe es auch nur eine gegeben, jene über den Beitritt zur EU. „Damit haben wir uns auch zur Euroeinführung verpflichtet“, sagt Stanjura.

Bei einer Beteiligung von 55 Prozent stimmten damals 77 Prozent der Bürger für den EU-Beitritt am 1. Mai 2004. Nur das Datum für den Beitritt zur Eurowährungsunion blieb offen.

Jeder Fünfte lehnte den Euro ab

Die Mehrheit der Tschechen hält die EU auch heute für eine gute Sache, doch den Tausch Krone gegen Euro lehnen sie ebenso entschieden ab. In einer Umfrage im Auftrag der EU sagten 75 Prozent im vorherigen Frühjahr, das Land sei dafür noch nicht reif. 20 Prozent wollten den Euro „niemals“ einführen.

Die Politik reflektierte die Stimmung. In der Regierung sind die eher liberalen und linken Kräfte für einen baldigen Beitritt. Die konservative ODS steht auf der Bremse. Fiala kommt dabei die aktuelle Schwäche der tschechischen Volkswirtschaft zugute. Die Inflationsrate lag im Dezember bei 6,9 Prozent, das Budgetdefizit 2023 bei 3,2 Prozent. Das sind zwei K.-o.-Kriterien für den Beitritt, auch wenn die Staatsverschuldung mit 45 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) weit unter den europäischen Grenz- und Durchschnittswerten von 60 und 83 Prozent des BIP bleibt.

Der Regierungschef argumentierte, man müsse zuerst die Kriterien erfüllen, um sich dann über einen Beitrittstermin und den offiziellen Beitritt zum Wechselkursmechanismus II zu befinden. Diese fundierte Testphase für den Eurobeitritt dauert mindestens zwei Jahre. Damit wäre die Regierung politisch aus dem Schneider, denn spätestens Ende 2025 stehen die nächsten Wahlen an.

Für Fiala klingt das nach einer eleganten Möglichkeit, die im Ministerrat anstehende Debatte um den Bericht zur Euroadaptionsfähigkeit hinter sich zu bringen, den die Regierung bereits Ende 2023 hätte vorlegen sollen. Doch bleibt seine Anordnung – Kriterien erfüllen, debattieren, Beitrittsdatum festlegen und danach dem Wechselkursmechanismus beitreten – wenig mehr als eine Krücke im politischen Alltagsgeschäft. Selbst nach den Regierungsprognosen wird Tschechien alle Inflations- und Verschuldungskriterien für den Eurobeitritt bereits in diesem Jahr erfüllen.

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